Der Jubiläumsweg

Anlässlich ihres 100-jährigen Bestehens wurde (1998) von der Ortsgruppe Neckarhausen ein Jubiläumsweg eingerichtet. Ausgangspunkt dieses Weges ist das Wanderheim der Ortsgruppe, das Eugen-Münz-Haus.

An verschiedenen Stationen des über und um den Galgenberg führenden Rundwegs soll der Wanderer hingewiesen werden auf die frühe Geschichte der Besiedelung unseres Landes und auf die Entstehung des geologischen Aufbaus unserer Landschaft.

Jubiläumseiche 1998

Über das Neubaugebiet „Käppele“ gelangen wir zum 1000 m³ fassenden Wasserhochbehälter „Steingrüble“. Dieser fasst vorwiegend Wasser der 1 – 6 l/s schüttenden Kapfquelle, die aus den Sandsteinbänken des Angulatensandsteins austritt. Dieser feinkörnige, als Baustein geschätzte Sandstein tritt in der noch sichtbaren Bruchwand des ehemaligen Steinbrauchs unmittelbar am Wanderheim zutage. Es handelt sich um die Ablagerung eines flachen, vor rund 190 Mio. Jahren in unser Land vordringenden Meeres im unteren Jura.

Bald sind wir auch schon am Haldengraben, in dem ein Bächlein herabfließt. Links und rechts davon hat man auf Äckern Steinwerkzeuge aus der Jungsteinzeit gefunden (Schaber, Messer und Abschläge), Scherben von Tongefäßen sowie dunkle Verfärbungen der Erde. Diese Bodenfunde sind Spuren einer jungsteinzeitlichen Siedlung. Vor 7000 Jahren siedelten hier die ersten Bauern, die aus dem Südosten Europas donauaufwärts zogen und von dort in unser Land kamen. Ihre kürbisähnlichen Tongefäße pflegten sie mit Bandmustern oder spiralförmigen Linien kunstvoll zu verzieren. Wir nennen sie daher Bandkeramiker. Bodenfunde wie Streitaxt und Beilchen, Messerklingen und Schaber, Scherben und Knochen weisen auf einen weiteren jungsteinzeitlichen Siedlungsplatz 500 m nördlich vom Haldengraben hin.

Der ehrenamtlich Beauftrage der archäologischen Denkmalpflege des Landesdenkmalamtes Erwin Beck entdeckte 1994 ein Brandschüttgrab aus der Hallstattzeit (700 – 600 v. Chr.) unweit vom Haldengraben. Drei wunderschöne verzierte Tongefäße (Grabbeigaben) konnten geborgen werden.

An Streuobstwiesen vorbei führt der Weg zu der Parkanlage am Galgenberg. Dort befindet sich ein Hochbehälter, der das Wasser der flachen Quellfassungen des Galgenbergs speichert. Von diesem Hochbehälter wurden früher die Bewohner im Bereich des Schloßberges in Nürtingen mit Wasser versorgt. Heute dient das Wasser dieses Hochbehälters der Bewässerung von Erdbeerfeldern auf dem Galgenberg. Der Grundwasserleiter der Quellen auf dem Galgenberg ist der von fruchtbarem Lößlehm bedeckte Arietenkalk bildet.

Nun geht`s vollends hinauf auf den Galgenberg. Aus Anlaß des einhundertsten Todestages des beliebten deutschen Dichters Friedrich Schiller fanden überall im Lande Gedenkfeiern statt, so auch im Mai 1905 in Nürtingen auf dem Galgenberg. Ihm zu Ehren wurde an der Stelle, wo man seiner gedachte, eine Linde gepflanzt. Seitdem spricht man von der Schillerhöhe.

Wenige Meter von der Schillerhöhe entfernt verweilen wir auf dem Weg in Richtung Oberensingen und genießen die beste Aussicht über die Stadt Nürtingen und die umgebende abwechslungsreiche Landschaft.

Den zentral gelegenen Schloßberg mit der einst befestigten Altstadt, dem ehemaligen Schloß und der auf hartem Rätsandstein über dem Meckar erbauten Stadtkirche St. Laurentius hat der Neckar in Tausenden von Jahren als Umlaufberg aus den Gesteinsschichten herauspräpariert. Lange Zeit floß der Neckar in einer Schlinge um den Schloßberg, dem Ersberg, dem Säer und Steinenberg entlang. Der Hals der damaligen Neckarschlinge wurde allmählich enger, bis schließlich der Neckar im Bereich des heutigen Wehrs den Schlingenhals durchbrach. Dieser Durchbruch ist die Ursache für das beträchtliche Gefälle von 4 m auf einen Kilometer unterhalb des Wehrs. Das Gefälle wird durch ein Laufwasserwerk nahe der Stadtbrücke genutzt. Die Gefällstrecke diente früher als Furt, später wurde diese Furt durch eine Brücke ersetzt. Einen nachhaltigen Eindruck macht nicht allein der Anblick der Stadt, sondern auch die großartige Landschaftskulisse mit dem Nürtingen nahen Albtrauf.

Von dem nach Oberensingen abfallenden Hangweg zweigt ein Feldweg ab zum Gewann „Seelen“. Dort wurde 1988 eine weitere für die Geschichte der Stadt Nürtingen wichtige archäologische Fundstelle entdeckt. Es handelt sich um einen in seiner Bausubstanz sehr gut erhaltenen römischen Gutshof, einer „Villa Rusticana“. Große Teile des Hauptgebäudes mit zwei Badeanlagen wurden unter Einsatz mehrerer ehrenamtlicher Helfer freigelegt und restauriert. Dieser im zweiten und dritten Jahrhundert n. Chr. Existierende Gutshof diente der Versorgung der Kastellsiedlung „Grinario“ im heutigen Köngen. Im Verlauf der Ausgrabungen wurden hochwertige Fundstücke geborgen, die im Stadtmuseum zu besichtigen sind. Sie vermitteln einen Einblick in die hochstehende Kultur der Römer.

Auf dem befestigten Feldweg wandern wir weiter ein Stück entlang einer 800 m langen Hecke, die der Schwäbische Albverein im Herbst 1986 und im Frühjahr 1987 gepflanzt hat. Bald gelangen wir hinein in den Neckarhäuser Bauernwald, der sich am Nordhang des Galgenberges von der Höhe bis hinab zur Aich erstreckt. Auf halber Höhe des Hangweges treffen wir auf den von Hardt kommenden Hauptwanderweg (HW3) von Baden-Württemberg. Diesem folgen wir und gelangen alsbald auf der Hochfläche des Galgenberges zum 372 m ü.d.M. gelegenen, 500 m³ fassenden Hochbehälter, der das im „Insele“ geförderte Wasser der Neckarau speichert. Das Wasser der Kapfquelle und das Grundwasser des „Insele“ reichen für die Versorgung von Neckarhausen, außerdem werden täglich run 700 m³ an die Stadt Nürtingen abgegeben. Dieser vom Schwäbischen Albverein bepflanzte Wasserbehälter im Gewann „Hochen“ erscheint in der Agrarlandschaft weithin als grüne Insel.

Unser Auge schweift von hier aus über das Albvorland, die bewaldeten Höhenrücken des Braunjura hinweg zum Albtrauf mit Teck und Neuffen und anderen Randbergen. Eine Bank lädt zum Betrachten der reizvollen Landschaft und zum Ruhen. Zur Orientierung hat der Neckarhäuser Albverein an dieser Stelle eine Tafel aufgebaut.

Auf dem HW3 geht es weiter zur freistehenden Linde und von dort auf dem Heerweg in Richtung Grötzingen. Bald gelangen wir zu der vom Schwäbischen Albverein geschaffenen und betreuten Biotopverbundbrücke mit den Hecken, dem Wildrosenlehrpfad, der landwirtschaftlichen Schaufläche und dem Wildbienenstand. Vor der Friedenseiche steht nahe dem Heerweg eine Bank, von der man noch einmal die Schönheit unserer heimatlichen Landschaft bewundern kann.

Beim Betrachten der relativ ebenen Hochfläche des Galgenbergs fällt uns die Ähnlichkeit mit der vergleichbaren Filderlandschaft auf. Tatsächlich gehört der Galgenberg zur Grötzinger Platte, die den südwestlichen Teilbereich des Naturraumes „Filder“ bildet und durch das Tal der Aich in zwei Rücken zerlegt wird. Von der ebenfalls zu den Fildern gehörenden Oberensinger Höhe schaut man herab auf den Galgenberg und erkennt sofort dessen tiefere Lage. Der Galgenberg ist die tiefe Stufe des treppenartigen Fildergrabenbruchs.

Vorbei am Hirschbrunnen, der auch bei anhaltender Trockenheit Wasser schüttet, an blütenbunten Rainen und altem Gemäuer, kehren wir nach der Rundwanderung zum Ausgangspunkt zurück.

Zuvor aber blicken wir, entlang der Hangkante wandernd, hinab ins Neckartal mit den Baggerseen, dem Betriebsgebäude und den Anlagen der Filderwasserversorgung, der von täglich Tausenden von Autos befahrenen Straße und zum Heimatort Neckarhausen, und schließlich hinüber zur Alb, die unserem Verein den Namen gab.

Verfasser: Walter Wahl 1998